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01.01.2021 Kategorie: Pfarrverband

Geistliches Wort zum Neuen Jahr

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

Ein Herz an einer Tür, eine Klinke mittendrin: Solche Herzenstüren findet man, so habe ich gelesen, an vielen Hoftüren im Siebenbürger Szekerland. Warum, weiß ich nicht – vielleicht wollte man so signalisieren, dass Besucher und Gäste auf dem Hof von Herzen willkommen sind. Allerdings, so richtig einladend wirkt die Tür auf der Kalenderkarte nicht, eher ein bisschen schwer zugänglich, eingerostet.

Es braucht ja schon Einiges, jemanden in sein Herz zu schließen oder jemandem sein Herz zu öffnen. Das geht nicht von jetzt auf gleich. Aber das muss es auch nicht. Solange das Herz nicht völlig einrostet und unbeweglich wird.

So unbeweglich wie die Herzen der beiden Männer, die auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho an einem Menschen vorübergingen, der dort halbtot und ausgeraubt am Wegrand lag. Sie hatten alles Recht dazu, so zu handeln, nach den damals geltenden Gesetzen. Aber barmherzig war es nicht. Barmherzig war der Mann aus der Fremde, der vorbeikam und den die Not des Überfallenen anrührte. Er kümmerte sich, versorgte die Wunden, sorgte dafür, dass er gepflegt wurde, um wieder auf die Beine zu kommen. (Lukas 10, 25-36)

Dieser Mann aus Samaria kannte den Ausgeraubten nicht. Er hatte keine Beziehung zu ihm, weder im Positiven noch Negativen. Er wusste nichts über den Mann, ob er gut oder schlecht, reich oder arm war, ob er von ihm etwas zu erwarten hatte als Dank für seine Mühe. Es war ihm einfach nicht egal, was er da sah. Er ließ sich anrühren von der Not und half, ohne erst großartig hin und her zu überlegen. Es bewegte sein Herz und brachte ihn zum Handeln. Das war barmherzig.

Barmherzigkeit hat erst einmal nichts mit Liebe zu tun. Sondern damit, die akute Not eines anderen zu sehen und zu helfen, ohne Hintergedanken, ohne auf einen eigenen Vorteil bedacht zu sein. Barmherzigkeit ist keine gönnerhafte Hilfe von oben herab, sondern geschieht spontan und auf Augenhöhe. Barmherzigkeit kann die unmittelbare Not lindern, sie ist notwendig und Not wendend. Um aber ungerechte Gesellschaftsstrukturen aufzubrechen braucht es mehr als Barmherzigkeit. Es wäre sogar unbarmherzig, Opfern von Ungerechtigkeit barmherzig zu begegnen, ohne zu versuchen, die Ungerechtigkeit an sich anzugehen.

Jesus Christus spricht: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

Die Jahreslosung für 2021 lenkt den Blick darauf, dass es zuallererst Gott ist, der uns gegenüber barmherzig ist. Er schaut nicht auf unsere Defizite, auf die Punkte, an denen wir mit uns selbst nie weiterzukommen scheinen. Gott rechnet nicht aus, ob es sich lohnt, sich mit uns abzugeben. Gott sieht alles, was mich leiden lässt und öffnet sein Herz und seine Arme für mich. Wenn ich im Leben lerne, auf diese Barmherzigkeit Gottes zu vertrauen, die mich, ohne Bedingungen zu stellen, sein Kind sein lässt, dann werde ich merken, dass diese Barmherzigkeit Gottes sich auch in meinem Sein und Tun auswirkt. Dass mein Herz beweglich wird, dass ich lerne, mit anderen barmherzig umzugehen.

Foto: Brigitte Varga, Claudia Baumann; Gottesdienst-Institut Nürnberg (Hg.)

Beitrag von Susanne Duesberg/Dr. Thomas Melzl